Wichtige Ergebnisse im Überblick:
- 57 % der Befragten weisen zusammen 3.226 offene Stellen aus. Bei der vorherigen Befragung 2022 lag der Anteil noch bei 60 %. Mit 58 offenen Stellen je 1.000 Beschäftigte wird der Höchstwert aus dem Jahr 2022 (64 offene Stellen) ebenfalls unterschritten. Am günstigsten fällt das Verhältnis in Handel und Industrie aus, am ungünstigsten in Baugewerbe, Handwerk und Gastronomie. Der leicht rückläufige Trend dürfte in der herrschenden Konjunktureintrübung begründet sein. Auf eine generelle Abnahme des Bedarfs an Fach- und Arbeitskräften kann vorerst aber nicht geschlossen werden.
- Facharbeiter und Gesellen werden – wie auch 2022 und 2018 – am häufigsten gesucht. Branchenübergreifend entfällt auf sie nahezu jede zweite offene Stelle. Besonders hoch ist der Anteil in der Industrie. In den zurückliegenden Jahren war dieser eher das Handwerk. Dagegen ist angelerntes und ungelerntes Personal in allen Branchen weniger gefragt.
- Insgesamt 1.449 Stellen (45 % der nicht besetzten Arbeitsplätze) sind länger als sechs Monate vakant. Der Wert liegt unter denen von 2022 (53 %) und 2018 (51 %). Die Suche nach Technikern und Meistern sowie nach Hochschulabsolventen und Akademikern dauert am längsten, wobei im Betriebsgrößenvergleich deutlich wird, dass insbesondere Unternehmen mit weniger als 50 Mitarbeitern die größten Schwierigkeiten bei der Stellenbesetzung haben.
- Der Ersatz ausscheidender Mitarbeiter ist das Hauptmotiv für die Personalsuche. Altersabgänge liegen mit 57 % an erster Stelle und erreichen gegenüber 2022 (45 %) und 2018
(43 %) einen neuen Höchststand. Personalwechsel zu anderen Arbeitgebern bleibt mit 56 % auf hohem Niveau nahezu konstant (2022: 57 %, 2018: 54 %). Bei der Frage nach zusätzlichen Mitarbeiterbedarf gaben die meisten Unternehmen (65 %) Mehraufträge und Neukunden an.
- Fehlende Bewerbungen bleiben mit 69 % der Nennungen der häufigste Grund für das Scheitern von Neueinstellungen, wenn auch im Vergleich zu 2022 (79 %) ein Rückgang zu verzeichnen ist. Das Handwerk (80 %) ist davon besonders stark betroffen. Bei der Besetzung von Ausbildungsstellen bleiben vor allem in Industrie (34 %) und Handwerk (35 %) Bewerbungen aus. Unbesetzte Stellen führen in erster Linie zu einer Mehrbelastung des vorhandenen Personals durch Überstunden (73 %). Zudem muss fast jeder zweite Betrieb (49 %) neue Aufträge oder Projekte ablehnen. Dies betrifft insbesondere Baugewerbe und Handwerk.
- Quasi alle Unternehmen bieten direkte Leistungen zur Mitarbeiterbindung an. Gemeinsame Freizeitaktivitäten, regelmäßige Lohn- und Gehaltserhöhungen sowie Prämien werden am häufigsten angeboten. Bei der Kostenübernahme für Weiterbildungen, bei Arbeitsmitteln und der finanziellen Unterstützung der Kinderbetreuung sind die Anstiege gegenüber 2022 und 2018 am höchsten. Rund 76 % offerieren darüber hinaus Leistungen, die die Vereinbarkeit von Privatleben und Beruf verbessern sollen, wie flexible Arbeitszeitlösungen und Teilzeitlösungen. Die „4-Tage-Woche“ spielt dabei nur bei 8 % der Befragten eine Rolle.
- 42 % der Befragten beschäftigen ausländisches Personal – ein neuer Höchstwert. 2022 lag die Quote bei 35 %, 2018 bei 25 %. Unter den 4.796 ausländischen Beschäftigten der befragten Betriebe kommen 77 % aus der EU und 23 % aus Drittstaaten. Von den 519 ausländischen Auszubildenden kommt dagegen über die Hälfte (51 %) aus Drittstaaten. Knapp ein Viertel der Unternehmen (24 %) will in den kommenden 12 Monaten erstmals oder weiteres ausländisches Personal einstellen. Nach wie vor sind Sprachbarrieren das größte Hindernis bei der Einstellung ausländischer Fachkräfte (83 %). Dieser Wert hat sich im Vergleich zu 2022 (77 %) weiter erhöht. Bürokratische Hürden sind im Vergleich zu den Vorbefragungen eher auf- als abgebaut worden und liegen weiterhin auf Platz 2 der Einstellungshemmnisse.
- Erstmals wurde nach dem Einfluss Künstlicher Intelligenz (KI) auf den Fachkräftebedarf gefragt. Demnach gehen zwei Drittel der Unternehmen nicht davon aus, dass die Nutzung von KI ihren Mitarbeiterbedarf verändern wird. Nur 6 % rechnen mit einer Einsparung an Beschäftigten, während 3 % sogar von einem gesteigerten Bedarf ausgehen. Auffallend ist, dass viele Unternehmen die Auswirkungen von KI aufgrund der Komplexität der Technologie und der rasanten Entwicklung (noch) nicht einschätzen können.
Schlussfolgerungen der sächsischen IHKs und HWKs:
- Demografie meistern – inländische Potenziale ausschöpfen
Schlüsselthemen sind eine höhere Erwerbsbeteiligung Älterer, eine bessere Betreuung und Förderung von Arbeitssuchenden, die Senkung der Teilzeitquote durch Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie die Optimierung innerbetrieblicher Weiterbildung.
- Berufliche Bildung bekannter machen - Qualität steigern
Verpflichtende Berufsorientierung in allen Schultypen, mehr Praktikumszeiten, eine zentrale Koordinierung der Zusammenarbeit von Schulen und Wirtschaft, die Reduzierung der Schulabgänger ohne Abschluss, höhere Hürden für den Zugang zum Gymnasien und mehr Berufsschullehrer mittels angepasster Studiengänge sollen die Bekanntheit und die Attraktivität der Berufsausbildung steigern.
- Internationalisierung von Belegschaften unterstützen – Arbeitsmarktzugang und Spracherwerb optimieren
Modernes Standortmarketing, wettbewerbsfähige Gehälter, Steuern und Abgaben, weniger administrative Vorgaben und eine gelebte Willkommenskultur bilden die Grundlage für eine stärkere Internationalisierung der Belegschaften. Unterstützung bei Unterbringung, Integration, Spracherwerb und effiziente Beratungsstrukturen runden die Voraussetzungen dafür ab.
- Studiengänge wirtschaftsnah und bedarfsgerecht gestalten
Ein Fokus auf Kernstudiengänge, Fachhochschulen und duale Studiengänge mit hohem Praxisbezug sowie Unternehmenspatenschaften können die Verbindung zwischen Hochschulen und Wirtschaft stärken, zum Beispiel bei der Erstellung valider Prognosen zukünftiger Bedarfe am Arbeitsmarkt. Verpflichtende Deutschkurse für ausländischen Studierende erleichtern deren spätere Integration in den sächsischen Arbeitsmarkt.
Hintergrund:
Seit 2001 führen die sächsischen Industrie- und Handelskammern (IHKs) gemeinsam mit den Handwerkskammern (HWKs) regelmäßig das Fachkräftemonitoring durch. Der Befragungszeit-raum der mittlerweile zehnten Erhebung lag im April/Mai 2024. Neben den Arbeits- und Fachkräftebedarfen der Unternehmen standen diesmal die Instrumente der aktiven Personalarbeit, die Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer sowie die Auswirkungen der Künstlichen Intelligenz auf die Arbeitswelt im Mittelpunkt. Ziel ist es, durch eine repräsentative Umfrage in den Unternehmen aller Branchen und Betriebsgrößen die aktuelle Fachkräftesituation in der sächsischen Wirtschaft zu erfassen. Daraus abgeleitete Hinweise und Empfehlungen sollen insbesondere Politik, Verwaltung und Öffentlichkeit, aber auch Unternehmenfür die Herausforderungen am Arbeitsmarkt sensibilisieren.