Das Unternehmertum ist ein Grundpfeiler der deutschen Wirtschaft und hat im Handwerk vom Soloselbstständigen bis zum Geschäftsführer eines Mittelstandsunternehmens viele Gesichter. Die Handwerkskammer Dresden hat auf Grund der Themenbrisanz eine Sonderumfrage zur Attraktivität des Unternehmertums[1] in Auftrag gegeben. Diese aktuellen Umfrageergebnisse zeigen, dass bundesweit nur rund 42 Prozent der befragten Unternehmer[2] den Weg in die Selbstständigkeit weiterempfehlen würden. Drastischer wird es mit dem Blick auf den Freistaat Sachsen: Hier würde jeder zweite Unternehmer (49,1 %) anderen von der Selbstständigkeit abraten.
„Das ist ein Weckruf! Für das Handwerk, aber auch für die gesamte Wirtschaft“, schätzt Jörg Dittrich, Präsident der Handwerkskammer Dresden, die Umfrageergebnisse ein. „Wir benötigen dringend lösungsorientierte Ansätze, um die Attraktivität der Selbstständigkeit zu stärken, aber auch um das Ansehen von Selbstständigen zu verbessern.“
Als größte unternehmerische Herausforderung gaben die Selbstständigen2 finanzielle Risiken an (71,1 %). Gefolgt von der hohen Bürokratielast: Ganze zwei Drittel (67,0 %) klagen über hohe Bürokratie im Unternehmertum. Über ein Drittel der Unternehmer (34,6 %) gab an, dass ungeregelte Arbeitszeiten eine große Herausforderung darstellen. Zudem wurde der allgegenwärtige Fachkräftemangel mit rund 29 Prozent (29,2 %) benannt und Schwierigkeiten in der Kundenakquise mit knapp 20 Prozent (19,5 %).
Die Attraktivitätssteigerung des Unternehmertums sei eine langfristige Aufgabe, an der viele Stakeholder beteiligt sind, sagt Jörg Dittrich. Wenn es um das Thema Bürokratieabbau geht, sei aber ganz klar der Staat in der Verantwortung: „Hinter dem Bürokratieaufwand verbirgt sich für Selbstständige jede Menge Arbeit, Zeit – und damit auch Geld. Im Schnitt bringt ein Unternehmer im Handwerk einen von fünf Werktagen dafür auf – manchmal sogar fast die Hälfte seiner Arbeitszeit. Das ist nicht tragbar! Daher lautet unsere klare Forderung: Wir brauchen mehr Zeit fürs Handwerk! Und dazu muss die Bürokratielast deutlich abnehmen.“
Die Umfrage zeigt zudem, dass in der Schulausbildung ein großes Potenzial zum Heben der Attraktivität des Unternehmertums liegt. Knapp 80 Prozent (78,2 %) der Befragten[3] gaben an, dass Unternehmertum in Schulen eine größere bzw. überhaupt eine Rolle spielen sollte. Um das Thema Selbstständigkeit wirksam in den Schulalltag zu integrieren, empfiehlt Jörg Dittrich wirtschaftliche Themenstellungen mit echtem Praxisbezug in allen Lehrplänen, digitale Unternehmensplanspiele oder spezifische Ganztagsangebote zum Thema Start-ups.
Grundsätzlich gelte es auch seitens der Handwerksorganisationen die Vorteile der Selbstständigkeit noch offensiver öffentlichkeitswirksam zu kommunizieren, so Dittrich. Zu den Vorteilen zählen laut den Umfrageergebnissen[4]: das Attribut „sein eigener Chef zu sein“ (56,5 %), gefolgt von „Flexibilität in der Arbeitszeitgestaltung“ (44,3 %) und der Möglichkeit seine „eigene Kreativität einzubringen“ (41,4 %). Über ein Drittel der Befragten (37,0 %) sieht in der Verantwortung für das eigene Gehalt einen der größten Vorteile, während ein Viertel (25,0 %) der Befragten die Flexibilität beim Arbeitsort mit am meisten schätzen würde.
Ergebnisse der Frühjahrskonjunkturanalyse
Die gesamtdeutsche Lage spiegelt sich auch in der Konjunktur im ostsächsischen Handwerk wider. Das aktuelle Geschäftsklima steigt auf 112 Punkte und liegt damit über dem Niveau von 2022. Die seit Ausbruch des Ukrainekriegs vorherrschenden Konjunktursorgen, insbesondere im Hinblick auf die Versorgungssicherheit im Winter mit Energie und Gas und die Verfügbarkeiten und Preise für Materialien, haben sich nicht bewahrheitet. Die Wirtschaft hat sich besser als angenommen entwickelt und die erwartete Winterrezession ist ausgeblieben. Lieferketten entspannen sich sukzessive und Preisbremsen greifen seit März 2023.
Dazu resümiert Andreas Brzezinski, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Dresden: „Der befürchtete Einbruch der Konsumneigung ist trotz Inflation ausgeblieben. Die Verunsicherung über die weiteren Entwicklungen nimmt sukzessive ab. Damit hat sich die konjunkturelle Lage zwar erholt, aber die sonst übliche Belebung im Frühjahr hat nicht stattgefunden. Wir fordern daher, konkrete Initiativen beim Thema Energiewende, Arbeitszeitgesetz und Bürokratieabbau.“
Das Geschäftsklima ist im Vergleich zu Herbst 2022 über alle Branchen hinweg gestiegen und im Vorjahresvergleich stellen sich erneut branchenspezifische Entwicklung dar. So ist im Lebensmittel-, Gesundheits- und Bauhandwerk auf Grund negativer Einflüsse wie Energie- und Materialpreise und Bauzinsen ein Rückgang des Geschäftsklimas zu vermerken. Stärkster Rückgang und zugleich schlechtestes Geschäftsklima ist im Lebensmittelhandwerk mit 88 Punkten zu finden. Die übrigen Branchen erleben eine Aufhellung.
Wie bereits im Vorjahr melden 46 Prozent der Betriebe eine gute Geschäftslage. Leicht erhöht hat sich der Anteil der Betriebe, deren Inhaber mit 15 Prozent eine befriedigende Lage angaben. Mit Blick in die Zukunft erwarten 68 Prozent der Betriebe für das kommende Quartal eine gleichbleibende Geschäftslage. Ferner erwarten 14 Prozent eine Verbesserung und 18 Prozent eine Verschlechterung ihrer Geschäftslage.
Für das erste Quartal 2023 meldet beinahe jeder zweite Betrieb eine gleichbleibende Umsatzentwicklung, 19 % berichten von gestiegenen und 33 % von gesunkenen Umsätzen. Allerdings liegt das Umsatzwachstum unterhalb der Inflation und es gibt erhebliche Divergenzen auf Branchenebene. Insbesondere die Baubranche, das Lebensmittel- und das Gesundheitshandwerk beklagen Umsatzrückgänge. Besonders positiv gestimmt ist hingegen das Kfz-Handwerk, mit 48 % haben so viele Betriebe wie in keiner anderen Branche steigende Umsatzerwartungen für das kommende Quartal. Anzumerken bleibt, dass sich eine hohe Inflation und zumindest noch teilweise anhaltende Preissteigerungen auf Umsatz und den tatsächlichen Gewinn auswirken. Womöglich können Betriebe trotz höherer Umsätze noch immer nicht kostendeckend arbeiten.
Die derzeitige Auftragslage ähnelt der des Vorjahres: So melden 66 % der Inhaber einen für diese Jahreszeit üblichen und weitere 11 Prozent sogar einen überdurchschnittlichen Auftragsbestand, wobei sich auch hier auf Branchenebene erhebliche Unterschiede zeigen.
Die Mehrheit der Betriebe (73 %) meldet zwar eine gleichgebliebene Beschäftigtenzahl, wobei sich auch in diesem Frühjahr im Saldo eine rückläufige Beschäftigtenentwicklung in allen Branchen, mit Ausnahme Kfz-Handwerk, zeigt. Während nur 7 Prozent eine gestiegene Beschäftigtenzahl melden, berichten 20 Prozent von einer gesunkenen.
Insgesamt herrscht immer noch eine eher zurückhaltende Investitionsbereitschaft der Betriebe in Ostsachsen vor. Mögliche Ursachen liegen in der weiterhin unkalkulierbaren wirtschaftlichen Entwicklung sowie der Ungewissheit über den Fortbestand bestehender Geschäftsmodelle und in den Auswirkungen der Energie-, Klima- und Mobilitätswende begründet. Daraus resultierend werden womöglich notwendige Modernisierungs- und Anpassungsinvestitionen nicht getätigt.
Mit Blick auf die einzelnen Branchen zeigt sich im Vergleich zu den Vorjahren eine weiterhin zunehmend inhomogene Entwicklung.
Bauhandwerk
- Mit 85 % liegt die mittlere Betriebsauslastung im Vergleich zum Gesamthandwerk auf einem hohen Niveau, jedoch deuten sich bereits erste Anzeichen einer rückläufigen Entwicklung an.
- Ein erheblicher Anteil von 39 % berichtet von einem rückläufigen Auftragseingang, jedoch beurteilen acht von zehn Betrieben ihre Geschäftslage als gut oder zumindest befriedigend, was u. a. am zuvor sehr guten Auftragspolster liegt.
- Der Bau steht weiterhin vor der Herausforderung, kostendeckend zu kalkulieren bzw. kostendeckend zu arbeiten. So melden mit 77 % noch immer zahlreiche Betriebe Preissteigerungen, aber nur jeder zweite Betreib hat darauf mit einer Anhebung der Verkaufspreisen reagiert.
- Im kommenden Quartal rechnen 35 % der Betriebe mit einem weiter sinkenden Auftragseingang und 30 % mit sinkenden Umsätzen. Dies hat zur Folge, dass das Geschäftsklima auf 102 Punkte sinkt und damit deutlich unter dem Wert im Gesamthandwerk (112 Punkte) liegt.
Ausbauhandwerk:
- Das Geschäftsklima in der Ausbaubranche fällt mit 125 Punkten über alle Branchen hinweg am besten aus, weiterhin deutlich besser als im Gesamthandwerk (112 Punkte). Ähnlich wie im Vorjahr melden 61 % der Betriebe eine gute Geschäftslage.
- Die Ausbauhandwerke blicken hinsichtlich der Geschäftslage für das kommende Quartal so positiv gestimmt in die Zukunft wie keine andere Branche. Neun von zehn Inhabern erwarten eine sich verbessernde bzw. gleichbleibende Geschäftslage, darunter insbesondere Elektrotechniker sowie Installateur und Heizungsbauer.
- Bezüglich künftiger Umsatzentwicklung und Auftragseingang sind im Saldo mehr Betriebe positiv als negativ gestimmt (plus 13 und plus 4 Prozentpunkte), auch wenn die Rückmeldungen verhaltener und nicht ganz so optimistisch ausfallen wie bei der Geschäftslage.
Handwerke für den gewerblichen Bedarf:
- Das Geschäftsklima im Handwerk für den gewerblichen Bedarf liegt mit aktuell 112 Punkten über den Vorjahreswert.
- Meldeten im Vorjahr nur 34 % der Betriebe eine gute Geschäftslage, sind es in diesem Frühjahr 46 %, während weitere 41 % eine zumindest befriedigende Lage melden.
- Obwohl sich die Lage laut Einschätzung verbessert hat, berichtet dennoch beinahe jeder dritte Betrieb von rückläufigen Umsätzen und sinkendem Auftragseingang.
- Womöglich beeinflusst die Entspannung der Lieferketten die Bewertung der Geschäftslage. So können Aufträge zumindest abgearbeitet werden, 63 % der Betriebe melden Einkaufspreissteigerungen.
Kfz-Handwerk:
- Seit 2020 befand sich das Kfz-Handwerk in einer konjunkturell schwierigen Lage. In diesem Frühjahr zeichnet sich jedoch eine deutliche Aufhellung ab. Das Geschäftsklima ist mit 112 Punkten auf den höchsten Wert seit Herbst 2019 gestiegen.
- Das Kfz-Handwerk ist die einzige Branche, in welcher mehr Betriebe von einer gestiegenen als gesunkenen Beschäftigtenentwicklung berichten und 38 % der Betriebe melden eine gute Geschäftslage (+15 Prozentpunkte zum Vorjahr).
- Allerdings sind die Betriebe mit einem Anteil von 91 % – ein so hoher Anteil wie in keiner anderen Branche (Gesamthandwerk 78 %) – von Preissteigerungen betroffen, was insbesondere auf die weiterhin vergleichsweise angespannte Situation für Elektronikkomponenten zurückzuführen ist.
- Auch für die kommenden Monate ist das Kfz-Handwerk weitgehend positiv gestimmt – 83 % erwarten sich verbessernde bzw. gleichbleibende Geschäftslage. Auch wenn mit 85 % die deutliche Mehrheit weiterhin steigende Preise erwartet, rechnen im Saldo mehr Betriebe mit einer steigenden Beschäftigtenentwicklung und mit 48 % rechnen so viele Betriebe wie in keiner anderen Branche (Gesamthandwerk 27 %) mit einer steigenden Umsatzentwicklung.
Handwerke für den persönlichen Bedarf:
- Das Geschäftsklima der Branche ist auf 108 Punkte gestiegen, das ist der beste Wert seit Herbst 2020.
- Berichteten im Vorjahr noch 54 % der Betriebe von einem für die Jahreszeit unterdurchschnittlichen Auftragsbestand, hat sich der Anteil deutlich um 20 Prozentpunkte auf 34 % reduziert.
- Allerdings sehen sich weiterhin drei von vier Betrieben Preissteigerungen gegenüber, mit 55 % hat jedoch auch ein erheblicher Anteil mit einer Anpassung der eigenen Preise reagiert.
- Insbesondere Friseure mussten die Preise anheben, was wiederum einen mehrheitlich rückläufigen Auftragseingang und sinkende Umsatzentwicklung zur Folge haben.
Lebensmittelhandwerk:
- Das Geschäftsklima liegt nur noch bei 88 Punkten und verzeichnet damit über alle Branchen hinweg den stärksten Rückgang.
- Für das kommende Quartal rechnen 32 % der Betriebe, ein so hoher Anteil wie in keiner anderen Branche, mit einer Verschlechterung der Geschäftslage, wobei Bäcker und Fleischer gleichermaßen pessimistisch gestimmt sind.
- Ebenfalls negativer Spitzenwert ist der Anteil von 21 % der Betriebe, die eine rückläufige Beschäftigtenentwicklung erwarten (Gesamthandwerk 10 %).
- Im Hinblick auf die Auftrags- und Umsatzentwicklung halten sich die positiven und negativen Erwartungen die Waage.
Gesundheitshandwerk:
- Mit 92 Punkten liegt das Geschäftsklima im Gesundheitshandwerk unter dem Vorjahresniveau.
- Wie auch im Vorjahr melden 74 % der Betriebe eine gute oder zumindest befriedigende Geschäftslage, während sich der Anteil an Betrieben, die einen unterdurchschnittlichen Auftragsbestand melden, deutlich auf 37 % reduziert hat (-19 Prozentpunkte)
- Mit 90 % sehen sich jedoch auch weiterhin viele Betriebe Preissteigerungen gegenüber, auf die, aufgrund unflexibler Vergütungsmodelle, mit 42 % nur ein geringer Anteil mit einer Anhebung der eigenen Preise reagiert hat.
- Im Gesundheitshandwerk meldet kein einziger Betrieb eine gestiegene Beschäftigtenentwicklung und für das kommende Quartal rechnen erneut im Saldo mehr Betriebe mit einem weiteren Rückgang als mit einer Zunahme.
- Acht von zehn Betrieben erwarten im kommenden Quartal zudem weitere Preissteigerungen, auf die erneut nur ein geringer Anteil (37 %) plant, mit einer Anhebung der Preise zu reagieren bzw. die Möglichkeit hierzu besitzt.
- Es werden ein rückläufiger Auftragseingang und eine sinkende Umsatzentwicklung erwartet.
Hintergrund:
Für die aktuelle Konjunkturanalyse befragte die Handwerkskammer Dresden im April ihre Mitgliedsbetriebe im Kammerbezirk Dresden. Dieser umfasst die Landeshauptstadt Dresden sowie die Landkreise Bautzen, Görlitz, Meißen und Sächsische Schweiz-Osterzgebirge. Von den rund 22.200 Handwerksbetrieben wurden 3.081 Firmen befragt. Die Rücklaufquote der Befragung betrug dabei 19 Prozent. Die Grafiken zum Konjunkturbericht stehen unter www.hwk-dresden.de/konjunktur zum Download zur Verfügung.
[1] Der Online-Panel-Dienstleister Civey hat für die Handwerkskammer Dresden vom 18.04. bis 26.04.2023 online 5.000 Bundesbürger ab 18 Jahren, 2.000 Selbstständige und 2.500 abhängig Beschäftigte befragt. Die Ergebnisse sind aufgrund von Quotierungen und Gewichtungen repräsentativ unter Berücksichtigung des statistischen Fehlers.
[2] 2.000 Befragte – Selbstständige bundesweit
[3] 5.000 Befragte - Bundesdeutsche Gesamtbevölkerung ab 18 Jahren wurde befragt
[4] 2.500 Befragte - Abhängig Beschäftigte bundesweit